Mit Gummikostümen und Prügelorgien in Modellbau-Städten haben japanische Kaiju-Riesenmonsterfilme weltweit die Herzen der Horror- und SF-Fans erobert. Auslöser war der erste Godzilla-Film – ein King Kong-Plagiat mit Öko-Botschaft.

Angriff der Kaijū: Japan im Godzilla-Fieber

Die Neuauflage von King Kong Anfang der 50er Jahre löste in Filmemacherkreisen eine regelrechte Goldgräberstimmung. Begeistert vom Erfolg und den neuen Möglichkeiten durch Stop-Motion-Trickeffekte schmiedeten Produzent Tanaka Tomoyuki, Regisseur Honda Ishiro und Special-Effects-Meister Tsuburaya Eiji von den Tokioter Toho-Filmstudios den Plan für eine japanische Adaption der populären Horror-Produktion aus Hollywood.

Schon den Dreißiger Jahren gab es japanische King Kong Plagiate: King Kong erscheint in Edo und einen Kurzfilm. Diesmal schwebte den Toho-Leuten aber kein Riesenaffe vor, sondern eine 100 Meter große, feuerspeiende Echse, ähnlich wie die im Hollywood-Klassiker  „The Beast from 20.000 Fathoms„. Eine Mischung aus einem Tyrannosaurus und einem Iquanodon, mit den Rückenplatten eines Stegosaurus und dem Schwanz eines Krokodils.

Die Echse brauchte nur noch einen Namen – einen, der die gewaltige Kraft der Kreatur und deren Herkunft aus den Untiefen des Ozeans widerspiegelte. Honda, Tsubaraya und Tanaka entschieden sich für „Gojira“, zusammengesetzt aus „Gorilla“ und „Kujira“ – dem japanischen Wort für Wal. Nachträglich wurde die Geschichte in Umlauf gebracht, ein Bühnenbauer bei Toho sei wegen seiner bulligen Figur von den Kollegen Gojira gerufen worden. Regisseur Hondas Frau hat das aber im Interview dementiert und als typische Toho-Mitarbeiter-Mär bezeichnet.

Ein Horrorfilm mit Öko-Message

Auch über die Intention hinter Godzilla wurde nachträglich viel gemutmaßt.

„Godzilla ist stärker als die Waffen, die Japan in die Knie gezwungen haben.“  (Godzilla-Musik- und Soundkomponist Akira Ifukube)

Gojira entstand durch Atomexplosionen und ist imun gegen sämtliche militärische Mittel. Viele interpretieren ihn deshalb als filmische Metapher für den Vergeltungswunsch der Japaner, die seit 1945 von den Amerikanern besetzt waren. Ob der Horrorfilm nun wirklich als Seitenhieb in Richtung der US-Besatzer geplant war, ist reine Spekulation. Plausibler klingt für mich die Herleitung von Jun Fukuda, der in vielen späteren Godzilla-Filmen die Regieassistenz übernahm:

„Godzilla steht für die Rache der Natur am Menschen. In ihm manifestiert sich all der Hass und die Gewalt der Menschheit, da er aus Atomwaffen entstanden ist.“

Das passt, denn Regisseur und Mitschöpfer Honda Ishiro kehrte nach dem Krieg in Ostasien durch die Trümmerfelder Hiroshimas und Nagasakis nach Hause zurück. Er hat immer wieder erzählt, wie entsetzt er von der zerstörerischen Kraft der Atombomben gewesen ist. Außerdem kochte das Thema Atomgefahr in dieser Zeit erstmalig richtig hoch: Ein Jahr vor Beginn der Dreharbeiten geriet der Tunfisch-Trawler „Lucky Dragon V“ in der Nähe der Marshall Inseln in eine Atomversuchszone. Die Mannschaft kehrte schwer verstrahlt zurück, der Kapitän verstarb kurz darauf an den Folgen.

Die Japaner verstanden, dass sie von den Besatzern als Versuchskaninchen für neuartige Waffen missbraucht wurden. Dieser Schock ist der Ursprung der Godzilla-Idee. Die Angst davor, was wäre, wenn sich die Natur die Zerstörung irgendwann nicht mehr bieten ließe und zurückschlüge. Godzilla ist Japans erster Horrorfilm mit Öko-Botschaft.

Gummikostüme statt Stop-Motion-Tricks

 Viele Tricks, die Produktionskosten sparen sollten, stellten sich im Nachhinein als die besten Ideen für neuartige Effekte heraus. Die Stop-Motion-Aufnahmen für Godzilla hätten etwa sieben Jahre Arbeit für die Crew bedeutet. Mit Gummianzug und Pappmascheestädten dauerte es nur drei Monate und war bezahlbar. Ein Schauspieler zwängte sich deshalb in ein Ganzkörperkostüm und zertrümmerte die Miniaturwelten. Die Szenen wurden dann etwas langsamer abgespielt. Dadurch wirkte die Bestie noch größer und schwerfälliger.

Wegen der unerträglichen Hitze hielten es die Monsterfilm-Darsteller immer nur wenige Minuten in den Gummianzügen aus. Kein Wunder, das der beste Godzilla von dem ehemaligen Stahlarbeiter gespielt wurde, von Kenpachiro Satsuma.

Für den Godzilla-Schrei suchten die Sound-Designer im Zoo, fanden aber keine passenden Vorbilder. Also  malträtierten Ifukube und seine Assistenten eine Kontrabasssaite bis sie dem Instrumente das typische Godzilla-Gebrüll entlockten.

Am 03. November 1954 war es dann soweit: „Gojira“ feierte  in Tokio Premiere. Während die Presse den Film noch als schlechten US-Abklatsch verriss, bildete sich unter den Kinobesuchern eine begeisterte Fangemeinde, die schnell bis über die Landesgrenzen hinaus wuchs.

Produzenten aus Hollywood sicherten sich die Vertriebsrechte für den westlichen Markt, drehten ein paar Szenen mit amerikanischen Schauspieler nach und änderten den Namen von „Gojira“ in „Godzilla – King of the Monsters“. Danach wurde das japanische King-Kong Plagiat zum Welterfolg. Ab hier bitte mit Musik weiterlesen: Ein unvergessener Godzilla-Fansong von der Rockband „Blue Oyster Cult“    

Von der Nemesis zum Superhelden

An den Erfolg von Godzilla hofften auch andere Filmemacher anknüpfen zu können. In den folgenden Jahren brachten sie so viele Monsterfilme in die japanischen Lichtspielhäuser, dass ein ganz neues Filmgenre entstand: Die Kaijū-Eiga 怪獣映画 (Riesenmonster-Filme). Besonders populär waren der Flugsaurier Rodan, die mit Elfen bemannte Riesenmotte Mothra und Gamera, die kinderliebe Schildkröte mit dem Düsenantrieb. Gummianzüge und Miniaturstädte waren bei Godzilla noch Verlegenheitseffekte – nun wurden sie zu zentralen Kaiju- Genre-Elementen.

Die Fans stritten darum, welcher Kaijū den anderen im Zweikampf besiegen könnte. Also ließen die Produzenten die Biester aufeinander los. Als das geklärt war, suchten neue Horror-Wesen aus dem Weltall oder den Laboren verrückter Wissenschaftler die Metropolen Japans heim. Godzilla, der einst die unerbittliche Rache der Natur am Menschen personifizierte, wandelte sich zum Beschützer selbiger – prügelte King Kong, King Gidora und Konsorten durch Wolkenkratzer und Industrieanlagen.

Comedy-Wrestling, Spinne-Napoleon & Ultraman

Godzillas neue Heldenrolle nahm den Filmen die endzeitliche Stimmung und ihren Horror-Charakter. Die Fangemeinde wurde immer jünger, Godzilla immer niedlicher: Runde Kulleraugen, Vater-Sohn-Comedy, ein Freudensprung und holzige Wrestlingmoves prägten die Filme der frühen 70er Jahre.

Die Macher orientierten sich zunehmend an erfolgreichen Fernsehserien, wie Ultraman, in denen ein heldenhafter Wissenschaftler wöchentlich welchsenden Kaiju-Bedrohungen mit Karate und Ringergriffen den Garaus machte. Ultranman selber war menschlich. Der Held Shin Hayata konnte sich mit Hilfe der Beta-Kapsel für fünf Minuten in den Titanen Ultraman verwandeln. Die Special-Effects für die Serie lieferte übrigens ebenfalls Eiji Tsubaraya.

Zurück zu den Wurzeln

Zwar hatten auch diese lustigen Produktionen ihren Reiz – nicht zuletzt auch wegen ihres innovativen Monsterdesigns. Für die Godzilla-Fans der ersten Stunde stand aber fest, dass die Studios wieder zu den Wurzeln der Monsterfilme zurückkehren mussten, um an die alten Erfolge anzuknüpfen. Das erkannte auch Produzent Tanaka und brachte 1984 „The Return of Godzilla“ heraus.

Der Film setzte in der Storyline genau da an, wo der erste Godzilla von 1954 geendet hatte. Damit dann aber auch die Heldentage der Monsterechse gezählt. Fortan wurde wieder zerstört und Panik verbreitet. Leider wirkten bei diesen und folgenden Filmen weder Effekt-Meister Tsubaraya noch Regisseur Honda mit. Ersterer war kurz vorher verstorben, weswegen Honda es dann ablehnte, die Reihe mit einem neuen Team fortzusetzen.

Die Kaijū-Filme unterteilt man übrigens in drei Filmepochen: Bis in die 80er spricht man von der Showa- danach von der Heisei-Reihe (benannt nach den Regierungsdevisen der jeweiligen amtierender Kaiser). Ab dem Jahr 1998 begann dann die Millenium-Reihe.

Die meisten Filme der Heisei-Serie floppten, so dass die Toho-Studios entschieden, Godzilla endgültig und mit einem Knall abtreten zu lassen. Im Kampf gegen Destoroyah opferte er sich – so tragisch, wie es nur die Japaner inszenieren können  – indem er die eigene Kernschmelze auslöste. Auch Tanaka Tomoyuki, der von 1954 bis 1995 alle Godzilla-Filme produziert hatte, verstarb kurz darauf.

But Godzilla will return…

Lange währte das Ende des Kaijū-Königs allerdings nicht. Die Ende der 90er gestartete Millennium-Reihe zählt mittlerweile auch schon wieder sechs Filme. Darunter auch ein klägliche Versuch von Roland Emmerich und das umso fantastischere 50 Jahre Jubiläumsspektakel von Kitamura Ryuuhei, „Godzilla Final Wars“, – bei dem nochmal alle coolen Monster, inklusive Schwaben-Godzilla GINO „Godzilla In Name Only“, auftraten.

Immer wieder heisst es, dies sei der letzte Film der Reihe gewesen – und dann stürmt ein neuer Godzilla die Kinokassen und Liebhaberherzen. Die Fans haben ihren Kaijū-König immer noch nicht satt.  Erst 2013 gab es wieder eine US-Adaption. Schöner wäre aber nochmal ein neuer Japan-Godzilla. Nicht zuletzt, weil das Land nach dem Reaktorunglück von Fukushima wieder gut einen Auftritt der altbewährten Atomaustiegs-Ikone gebrauchen könnte.

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